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White people complain more?

“Erving Goffman prägte in den 1960-er Jahren den Begriff Stigma, um zu beschreiben, wie Menschen aufgrund von zugeschriebenen oder sichtbaren Eigenschaften ausgegrenzt und diskriminiert werden. Dabei liegt das Diskreditierende nicht in der Natur der Eigenschaft, sondern in der Beziehung der Menschen zueinander begründet. (Goffman, 2018b, S. 11)”

“Diese Stigmata und das Wissen um ihre gesellschaftliche Ächtung, so Goffman, beschädigen die soziale Identität der Stigmatisier-ten (ebd., S. 30). Sie erleben sich als minderwertig oder ausgeschlossen. Der tatsächlichen Diskriminierung sind zwei weitere Ebenen der Stigmatisierung vorgelagert. Zunächst finden sich auf kognitiver Ebene Stereotype, beispielsweise: „Schizophrene sind gefährlich“. Die bloße Kenntnis eines solchen Stereotyps bedeutet allerdings nicht, dass man diesem auch zustimmt. Diesen wertenden Charakter nehmen Vorurteile an, die dann eine emotionale Komponente (oft Angst oder Ärger) entwickeln können. Die tatsächliche Diskriminierung als dritte Ebene ist dann die Verhaltensebene. Hierunter fällt beispielsweise ein Vermeiden von Kontakt (z. B. bei Angst) oder feindseliges Verhalten (z. B. bei Ärger) (Thornicroft et al., 2007, S. 193; Corrigan & Watson, 2002, S. 37).”

Was hat Stigma mit Beschweren zu tun?Individuelle oder strukturelle Stigmatisierung könnte einerseits der Anlass einer Beschwerde werden. Andererseits können Betroffene auch im Prozess einer Beschwerde Stigmatisierung (auch hier individuell oder strukturell) erfahren. Eine (individuelle oder strukturelle) Stigmatisierungserwartung oder aber Mechanismen der Selbststigmatisierung können eine Person daran hindern, eine Beschwerde überhaupt erst anzustreben. Insofern kann Stigmatisierung auf verschiedenen Wegen zur Unmöglichkeit, sich zu beschweren, beitragen. Hinzu kommt, dass andere stigmatisierbare Eigenschaften (z. B. Wohnungslosigkeit, Migrationshintergrund, etc.) verstärkend (und nicht einfach additiv) auf Diskriminierungserfahrungen wirken (Lutz et al., 2010), was allerdings in der vorliegenden Untersuchung nicht weiter verfolgt wird.”

Martina Pistor, Die (Un-)Möglichkeit, sich zu beschweren Das Erleben von Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung im psycho-sozialen Hilfesystem

“The minute I would start to tell White folks about a slight, a snub or an outright ugly racist thing that I experienced, I could see their minds working. I could see them processing the things that I was saying in order to dismiss them. Most told me I was being too sensitive or that I was overreacting — anything to minimize my experience.”

“In more than twenty years of running diversity-training and cultural-competency workshops for American companies, the academic and educator Robin DiAngelo has noticed that white people are sensationally, histrionically bad at discussing racism. Like waves on sand, their reactions form predictable patterns: they will insist that they “were taught to treat everyone the same,” that they are “color-blind,” that they “don’t care if you are pink, purple, or polka-dotted.” They will point to friends and family members of color, a history of civil-rights activism, or a more “salient” issue, such as class or gender. They will shout and bluster. They will cry. In 2011, DiAngelo coined the term “white fragility” to describe the disbelieving defensiveness that white people exhibit when their ideas about race and racism are challenged—and particularly when they feel implicated in white supremacy. Why, she wondered, did her feedback prompt such resistance, as if the mention of racism were more offensive than the fact or practice of it?”

Warum wir Hans Asperger nicht noch mehr clout geben wollen

Shana’s Notizen

Bitte achte auf dich, wenn Du diesen Beitrag liest. Es ist ein schreckliches Thema. Wenn es dir nicht gut geht, komm gerne an einem anderen Tag zurück.

Warum wir Asperger nicht mehr clout geben wollen, indem wir seinen Namen als Bezeichnung verwenden.

Wie können wir mit Begriffen umgehen, die wir in unseren Wortschatz integriert haben, aber einen problematischen oder sogar grausamen Hintergrund haben?

Ich weiß, dass „Aspie“ für viele Autist*innen ein empowernder Begriff ist oder war. Empowerment („Ermächtigung, körperliches Eingebundensein in Verhältnisse, gehört werden“) kann und ist häufig, neben Normalisierung („mächtige Zentren öffnen und/oder dekonstruieren“) und Dekonstruktion („Dichotomien in Bewegung setzen und anders sprechen lernen“), ein wichtiger Aspekt in dem Prozess der Inklusion (Vgl. Boger 2019)

Außerdem ist der Begriff relativ weit verbreitet und viele – auch neurotypische – Leute können etwas damit anfangen.

Quelle: https://www.dwds.de/wb/Aspie

Und klar! Aspie hört sich richtig cute an und macht Spaß zu sagen. Das Problem ist halt der Ursprung. Eine andere Sache frage mich auch: Wenn man sich „Aspie“ nennt, grenzt man sich dadurch von anderen („nicht-Aspie“-) Autist*innen ab? Und wenn ja, warum? Ich stelle diese Fragen einfach mal so in den Raum, ich habe mir dazu keine Meinung gebildet. Wenn Du deinen Senf dazu geben möchtest, bist du gerne eingeladen einen Kommentar zu hinterlassen.

Hans Asperger

Johann Friedrich Karl Asperger, genannt Hans Asperger, geboren in Österreich war Kinderarzt und „Heilpädagoge“. Hans Asperger war ein Befürworter der Eugenik (Lehre der vermeintlich guten Erbanlagen). Warum Eugenik ableistisch und allgemein menschenverachtend ist, kann mich sich leicht ausmalen. Weltweit haben Menschen, die sich dieser Idiologie verschrieben haben, unzählige Menschen ermordet und zwangssterilisiert. Ich werde bald auch eine Folge und einen Post über die Aktion „T4“ machen und näher auf die deutsche Geschichte, Gesetzgebungen und Eugenik eingehen.

Politische Beurteilung der Gauleitung Wien, NSDAP

„In der Frage der Rassen- und Sterilisierungsgesetzgebung geht er mit den nat.soz. Ideen koform. In charakterlichen sowie politischen Hinsicht gilt er als einwandfrei.“

1940, Gauhauptstellenleiter (Stowasser)

Autismus & Funktionalität

Viele Menschen und Institutionen unterscheiden immer noch zwischen hoch- und niedrigfunktionalem Autismus. Und mindestens ist diese Wortwahl unakzeptabel. Es ist völlig klar, dass Autist*innen alle unterschiedliche Bedürfnisse haben und manche mehr, weniger oder gar keine Unterstützung brauchen oder sich wünschen. Das mit Funktionalität zu beschreiben ist einfach nicht richtig und, wenn wir uns unsere Geschichte anschauen, ganz klar ein Überbleibsel dieser. Hört sich für mich nach Eugenik an.

Jetzt ist es so, dass einige Leute behaupten, dass Hans Asperger „hochfunktionale“ Kinder, die in seiner Obhut waren schützen wollte. Denn dies fand während der Zeit der, durch das Nazi-Regime durchgeführten, Kindereuthanasie. Dazu ist es wichtig zu wissen, dass die Kinder, die Asperger behandelte, nicht unmittelbar gefährdet waren. Dazu ein Zitat:

„Obwohl diese Position spätere Autismus-Forschung vorwegnahm, stellt sich die Frage, ob es untergegebenen Umständen klug war, eine solche Betonung auf die Erblichkeit zu legen. Wenn es Aspergers vorrangiges Ziel gewesen wäre, seine Patienten zu schützen, hätte er eine flexiblere Position einnehmen können, eine mit der geringeren Wahrscheinlichkeit die Rassenhygieniker auf seine Patienten aufmerksam macht.“

Herwig Czech
  • Judenhass
    • Das Trauma, das jüdische Kinder durchmachten, pathologisierte Asperger und suchte die Krankheit/Behinderung/Störung in den Kindern, statt der Situation, in der sie sich befanden.
    • Asperger war Mitglied in mehreren Antijüdischen Vereinigungen und seine Karriere hat natürlich davon profitiert und auch, dass er Jüdischen Kolleg*innen und auch nichtjüdischen Frauen vorgezogen wurde.
    • Teilweise mussten jüdische Kolleg*innen in die USA fliehen.
  • Victimblaming
    • Kinder, die durch sexualisierte Gewalt viktimisiert wurden, machte Asperger für ihre eigenen Traumata verantwortlich.
    • Er hat ein Mädchen, welches sexuell missbraucht wurde, eine „Hure“ genannt.
    • Er war der Meinung, dass diese Kinder Charakterzüge wie „Schamlosigkeit“ hätten und gesunde, „normale“ Kinder in der Lage sein sollten Missbrauch „zurückzuweisen“ und wenn nicht, sollten sie danach nicht traumatisierte sein, sondern dem Missbrauch entwachsen. 

Anstalt am Spiegelgrund

Die Jugendfürsorgeanstalt am Spiegelgrund war eine Tötungsanstalt des NS-Regimes. Beinahe 800 Kinder und Jugendliche wurden dort ermordet. Unter anderem ein dreieinhalb Jahre altes Mädchen namens Herta Schreiber.

Herta Schreiber war ein kleines Kind, dessen Mutter sich nicht um sie kümmern konnte. Am Spiegelgrund wurde eine Notiz gefunden, die besagt, dass ihre Mutter angeblich wusste, dass es sich um eine Tötungsanstalt handelte. Ob das nun stimmt oder nicht, es ist ziemlich sicher, dass Hans Asperger bescheid wusste. Wir wissen, dass bereits in den 1940 öffentlich von katholischen und evangelisches Geistigen gegen diese Anstalten protestiert und gepredigt wurde, wodurch große Teile der zivilen Bevölkerung von den Tötungsanstalten wussten. Asperger war Katholik war und arbeite eng mit Jekelius zusammen, welcher am Spiegelgrund als ärztlicher Direktor tätig war.

Hans Asperger überwies Herta Schreiber im Jahr 1941 in die Tötungsanstalt am Spiegelgrund. Drei Monate nachdem Herta Schreiber dort angekommen war, starb sie.

Überweisungsbrief

Vgl. Hans Asperger, National Socialism, and “race hygiene” in Nazi-era Vienna, Herwig Czech, 2018

Wir können und sollten die Geschichte von Begriffen nicht verdrängen. Unsere Gesellschaft, wir selber und unser Bildungssystem sind dafür verantwortlich, dass wir die Dinge hinterfragen und uns weiterbilden. Denn sobald wir uns mit einem Begriff identifizieren oder wir uns beispielsweise Rollenbildern hingeben, ist es schmerzhaft zu erfahren, dass der Begriff oder die Person eine grausame Vergangenheit oder Ursprung hat. Und natürlich aus Respekt vor den ermordeten, den viktimisierten Menschen und den Überlebenden. Außerdem den Menschen gegenüber, die auch heute diskriminiert und marginalisiert werden.

Ich hoffe, Du konntest hiervon etwas mitnehmen. Mir ist bewusst, dass dies alles schreckliche Themen sind. Mir persönlich fällt es besonders schwer mit mit der Geschichte meines Heimatlandes auseinanderzusetzen und das hat viele Gründe. Bitte behalte im Hinterkopf, dass es viele behinderte, schwarze, jüdische, queere, muslimische Deutsche gibt und Deutsche mit Migrationshintergrund. Für uns ist es nochmal anders über deutsche Geschichte zu lernen.

Wenn Du etwas anmerken möchtest, dann mach das gerne in den Kommentaren.

Trink ein Glas Wasser, gönn‘ dir ein bisschen Ruhe, gib acht auf dich
Shana

Der verlorene Rucksack

Shana’s Notizen zu Folge 1 – Der verlorene Rucksack

Neurodiversität neurologische Vielfalt

  • Differenz, Heterogenität, Diversität, Unterschiedlichkeit, Andersartigkeit* (Boger)
  • Homogenität (gleichartig, gleiche Beschaffenheit, Gleichheit von Eigenschaften, Einheitlichkeit)

    • Geschlecht, Sexualität, Behinderung, Migration, Ethnizität, Hautfarbe, Haarstruktur, Kultur, Sprache, sozioökonomischer Hintergrund, Neurodiversität (HETEROGENITÄTSDIMENSIONEN/DIFFERENZLINIEN)
    • Alter, Familienstand, Freizeitverhalten, Ausbildung, Auftreten, Arbeitsort, Gewohnheiten, Wohnlage, Einkommen etc. 
    • Habitus

  • Ungleichheit, Marginalisierung, Diskriminierung

  • Crenshaw: Intersektionalität (Überschneidung, Überkreuzung, Verknüpfung, Überlagerung der Differenzen)

  • Differenzlinie >Behinderung<

    • >Behinderung< – >nicht Behinderung<
    • Definition „Einschränkung, Fehlfunktion, Defekt, Mangel“ 
      • Stigmatisierend, diskriminierend, zuschreibend, etikettierend, defizitär

    • Sozialwissenschaftlich: (Dederich 2017) behindert sein: „auf einen im Individuum gekennzeichneten Zustand“; behindert werden: „Ein durch verschiedene Umstände, wie Ausgangs- und Umfeldbedingungen, in ihrem Verhältnis zueinander konstruiertes Faktum“

    • Schuladministrativ: „sonderpädagogischer Unterstützungsbedarf“ statt Behinderung; „sonderpädagogischer Unterstützungsbedarf“ statt „Sonderschulbedürftigkeit“ (Sturm 2013)
      • Verschiedene Förderschwerpunkte: Sehen, Hören, Kommunikation, Körperlich-Motorische Entwicklung, Geistige Entwicklung, Lernen, Sozial-Emotionale Entwicklung, Sprache
      • Kategorien: „schwere“, „schwerste“, „ schwer-mehrfach Behinderung“ bzw. „komplexe Behinderung“ (Fornefeld 2017) -> besondere Gefahr der Marginalisierung(an den Rand drängen), Diskriminierung, Exklusion (ausschließen)